Wolfurt | 17.10.2023
Rund 90.000 Personen arbeiteten 2022 in der unsichtbarsten Branche in Österreich, dem Reinigungsgewerbe. Das sind knapp über 2 % aller Erwerbstätigen. 2,6 Mrd. Euro betrugt der Umsatzerlös dieser Branche. Das sind offizielle Zahlen einer Studie der AK. Darin sind die vielen illegal Beschäftigte „Perlen“, die in Haushalten oder kleinen Unternehmen für Sauberkeit sorgen, noch gar nicht enthalten.
Reinigungsgewerbe und Automobilbranche – ein Vergleich
Blicken wir nach Deutschland, so wird schnell klar, in welchen Größenordnungen wir uns bewegen. 665.000 Menschen arbeiteten 2022 in der Reinigungsbranche. Im Vergleich dazu liegt die Zahl, der in der deutschen Automobilindustrie beschäftigen Personen bei 775.000.
LinkedIn – eine „saubere“ Niederlage erleiden
Der Versuch im weltweit größten Netzwerk für Geschäftskontakte, LinkedIn, eine Unternehmensseite für die Majer Unternehmensgruppe anzulegen endet in einer unerwarteten Enttäuschung. Immerhin benützen 800 Millionen Menschen das Netzwerk im deutschsprachigen Raum.
Bei der Eintragung der Branchenbezeichnung muss die Userin oder der User auf einen der Vorschläge von LinkedIn zurückgreifen. Doch zu unserer Überraschung gibt es keinen Brancheneintrag für Reinigungsgewerbe, Gebäudereinigung, Reinigung oder irgendetwas mit Facility. Auf Nachfrage bekamen wir die Antwort von Helpdesk, leider in etwas schwer verständlichem Deutsch, dass ein Eintrag eine gute Idee wäre und unsere Anregung an die zuständige Stelle weitergeleitet wurde.
Das Netzwerk LinkedIn macht es Personen und Unternehmen aus den Bereichen Reinigung nicht leicht. Es gibt keine Einträge für die Branche, obwohl sie ähnlich viele Personen beschäftigt, wie die Automobilindustrie.
Der rote Faden – mangelnde Wertschätzung
Schauplatzwechsel: In einer Interviewreihe mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Majer und SPS in Podcast Form, die in den kommenden Monaten hier auf dieser Website veröffentlicht werden wird, ziehen sich zwei Themen wie ein roter Faden durch alle Interviews. Das eine ist die Liebe zum und die Leidenschaft für den Beruf. Das andere ist die mit dem Beruf verbundene mangelnde oder sehr oft völlig fehlende Wertschätzung für die Arbeit an sich und für die Personen, die diese Arbeit ausführen.
Reinigungskräfte und ihr Kampf um Würde
Diese beiden Beispiele stehen exemplarisch für die fehlende berufliche und soziale Wertschätzung der Branche des Reinigunsggewerbes. Die deutsche Soziologin Jana Costas hat sich letztes Jahr für sechs Monate in die Katakomben des Potsdamer Platzes in Berlin-Mitte begeben und dort als Kollegin von vielen „Unsichtbaren“ geputzt. Entstanden ist eine Feldstudie am Puls einer Branche und gestützt auf das persönliche Erleben. Ihre Erlebnisse, aber auch ihre Forschungsergebnisse hat sie in diesem Jahr in einem Buch veröffentlicht. Der Titel lautet: Im Minus-Bereich – Reinigungskräfte und ihr Kampf um Würde.
Jana in der Unterwelt, heißt eines der Kapitel
„Was, die Reinigungskräfte tagtäglich tun, firmiert in wissenschaftlichen Texten unter, »dirty work«, also »schmutziger« oder »Schmutzarbeit« Sie gehen mit Dingen um, die »körperliche Abscheu« hervorrufen, mit Stoffen, die niemand gerne sieht, riecht oder berührt. Die Reinigung ist der prototypische Fall einer stigmatisierten Tätigkeit, die wenig Respekt genießt und keinerlei Prestige mitbringt.“ Das ist einer der Befunde von Jana Costas zum Thema Reinigung.
Das 90.000 Menschen in Österreich und 665.000 in Duetschland gehören zur unsichtbarsten Branche in Europa. Es fehlt diesen Personen an Wertschätzung und damit auch an Würde.